Marken-Knigge 2.0: Bitte mehr Fingerspitzengefühl für Online-Communitys

 In Markenmanagement

Konsumenten im sozialen Netz wollen selbstbestimmt rund um ihre Marke kommunizieren, sich über sie austauschen und miteinander interagieren.

Ihr Interesse liegt weniger darin, ob dies der Marke genehm ist, ob diese ihr O.K. dafür gibt, ob sie selbst Möglichkeiten zur Interaktion bereitstellt und ob sie davon weiß oder nicht.

Diese Art der Community-Bildung rund um eine Marke unterliegt nicht der Kontrolle der Unternehmen. Im sozialen Netz herrscht nicht die One-to-Many Kommunikation.

Vielmehr ist hier jeder Sender, jeder betreibt auf seine Weise Mundpropaganda, spricht Empfehlungen aus, gibt Tipps, rät von Produkten ab oder macht Verbesserungsvorschläge.

Wie beliebt dieser gemeinsame Austausch rund um Produkte und Leistungen ist, lässt sich eindrucksvoll an einer bestimmten Form von YouTube-Videos erkennen. In sogenannten Beauty Tutorials, Hauls oder Reviews geben vorwiegend junge Frauen vor ihren heimischen Kameras Tipps und Tricks bezüglich Schminken, Gesichts-, Körper- und Haarpflege. Manche dieser sogenannten Gurus sind mittlerweile zu regelrechten Stars emporgestiegen. Sie genießen Kultstatus und können sich über rund 500.000 Abonnenten freuen sowie über teils 90 Mio. Total Upload-Aufrufe.

Doch die Netzgemeinde ist schon lange nicht mehr unter sich. Die Kosmetikindustrie ist mittlerweile auf die Make-Up Expertinnen aufmerksam geworden: Sie schickt ihnen Produkte zu, bezahlt sie für positive Bewertungen oder nimmt sie gleich ganz unter Vertrag. Sehr zum Missfallen der Viewer. Ihr Vertrauen in ihre Gurus ist seitdem gestört. Sie wissen nicht mehr, ob die angepriesenen Produkte nun wirklich so gut sein sollen, oder ob sie nur so hoch gelobt werden, weil ein Sponsoring dahintersteckt. Und auch mancher Beauty-Blogger hat das Gefühl, sich nun stets rechtfertigen zu müssen, alle Produkte wahrheitsgemäß getestet und bewertet zu haben.

Was die meisten Marken zu übersehen scheinen ist, dass in der demokratischen Webgemeinschaft andere Gesetze herrschen als in den traditionellen Medien. Besonders auf mangelnde Transparenz und versteckte Offerten reagiert die Community sehr empfindlich. Wird ein solcher Fauxpas entdeckt, wird damit äußerst unbarmherzig verfahren. Ein Guru erhielt einst Produkte mit der Bitte, sie möge eine positive Bewertung dazu abgeben und von Kritik möglichst absehen. Natürlich machte sie diese Bevormundung sofort publik und sprach sich ganz klar gegen die Intervention des Unternehmens aus. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass die Regeln in sozialen Netzwerken eben nicht die großen Firmen machen, sondern die Nutzer selbst.

Doch es entsteht immer noch der Eindruck, dass viele Unternehmen Social Media wie eine Einbahnstraße nutzen wollen. Vielen geht es weiterhin darum, Signale zu senden statt sie auch zu empfangen: Anstelle eines offenen Dialogs wird versucht, das Gespräch rund um die Marke sehr direkt zu lenken. Dabei besteht hier für Markenverantwortliche die einmalige Chance sich einzuklinken in einen Diskurs, zu dem sie bisher kaum Zugang hatten. Was sonst nur in Gesprächen unter Freunden im Privaten stattfindet, wird mithilfe von Social Media nun direkt sichtbar. Doch anstatt mit den Mitgliedern der sozialen Netzwerke offen zu kommunizieren, geht es zu oft um Kontrolle, Reichweite und hohe Frequenz.

Was etliche Unternehmen im Blick haben, sind vor allem die paradiesisch hohen Upload-Aufrufe einiger Kanäle und die riesige Anhängerschaft mancher YouTuber, deren Wirkungskreis sie gerne für sich nutzen möchten. Aus diesem Anlass hat z.B. L’Oréal zusammen mit Google den Channel „Destination Beauty“ ins Leben gerufen, auf den Make-Up Gurus mit gigantischen Klickraten gebündelt werden. Ryan Olohan, Google’s Beauty Industry Head, erklärt, dass der Kanal aufgrund des explosiven Wachstums von Online-Videos eröffnet wurde. Es gäbe zwar etliche andere Internetseiten, die man für Schönheitsthemen wählen könnte, doch die Vorteile, YouTube zu nutzen, lägen klar auf der Hand: das schiere Ausmaß der Zuschauerzahlen.

Dabei hat L’Oréal erkannt, dass eine zusätzliche Regulierung der Make-Up Expertinnen nur zu Widerstand und Misstrauen führen würde. Aus diesem Grund sind Produkte anderer Marken in den Videos ausdrücklich erlaubt. Als Marke tut man also gut daran, den Kontrollverlust anzunehmen, sich im Hintergrund zu halten und den YouTube-Stars den nötigen Freiraum zu gewähren. Das soll aber nicht heißen, dass man als Unternehmen nun gar nichts mehr zu einer gesteigerten und vor allem positiven Markenwahrnehmung in Netzwerken beitragen kann; nur werden hierzu noch vielfach die falschen Mittel eingesetzt.

Es geht nicht um die direkte Beeinflussung der Konsumenten durch die Marke selbst, sondern um die gegenseitige Beeinflussung der Konsumenten untereinander. Ziel ist es also nicht, einen Wortführer einer Community zu uneingeschränkter Loyalität zu bewegen, sondern vielmehr dafür zu sorgen, dass dieser weiterhin angenehme Erfahrungen mit der Marke macht. Dann wird derjenige aus eigenem Antrieb positiv über die entsprechenden Produkte und Leistungen berichten. Ziel ist es, die richtigen Signale zu senden und sich als Gesprächs- und Servicepartner anzubieten – und zwar uneingeschränkt. Denn Mitglieder sozialer Netzwerke reagieren sehr empfindlich, wenn ein Meinungsmacher, dessen Rat und Expertise sie bisher geschätzt haben, ihnen plötzlich etwas verkaufen will.

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