Professionelles Sound Branding – Interview mit John Groves
Zum Thema Sound Branding sprachen wir mit John Groves, dem international anerkannten Experten für akustische Markenauftritte und Schöpfer vieler bekannter Markenklänge. In unserem Interview erläutert er aufschlussreich, worauf es beim professionellen Sound Design ankommt, welche Vorgehensweise bei der Entwicklung eines unverwechselbaren Sound-Logos zu empfehlen ist und warum auch die akustische Markenführung mehr als eine Geschmacksfrage sein sollte.
Frage: Welchen Mehrwert bringt der Einsatz von Sound Branding gegenüber einer ausschließlich visuell angelegten Corporate Identity?
John Groves: Eine Marke über einen weiteren Sinn klar erkennbar zu machen, hat einen enormen Mehrwert. Abgesehen von Berührungspunkten, welche sogar ausschließlich auf akustischer Ebene funktionieren (Telefon, Radio, Podcasts…), bringt die Verknüpfung von visueller und akustischer Welt einen enormen Synergieeffekt mit sich.
Mehrere Studien haben bereits bewiesen: Existiert in den Köpfen der markenrelevanten Personen erst einmal eine klare Verknüpfung von visueller und akustischer Identität, kann ein akustischer Impuls im Vergleich zum visuellen Pendant eine fast gleichwertige Markenerinnerung auslösen.
Außerdem: Die Augen kann man verschließen – bei den Ohren ist das schwieriger.
Wie sollte ein Unternehmen vorgehen, das seiner Marke ein unverwechselbares Sound-Logo geben möchte?
Vorweg ist zu sagen, dass ein Sound Logo allein meist nur ein Teilziel unserer Arbeit ist. Unternehmen und deren Marken wollen vielmehr eine Sinn-Erweiterung durch eine Sound-Identität. Wir sprechen hier also von diversen Berührungspunkten, sei es TV, Messe, Funk, Telefon, Vertrieb oder Internet. Jeder dieser Punkte wird dabei mit eigens entwickelten Soundelementen versehen, um einen einheitlichen akustischen Markenauftritt herzustellen.
Bezüglich der Herangehensweise befassen wir uns bereits seit 1987 mit Konzepten eines sinnvollen, strukturierten und strategischen Vorgehens. Über die Jahre haben wir daraus ein mittlerweile 9-stufiges System erarbeitet, welches Unternehmen effizient aber auch sicher durch eine solche Sound Identity-Entwicklung begleitet (siehe www.groves.de).
Klare Marken-, Zielgruppen-, Wettbewerbs- und Applikations-Kenntnisse eines Kunden beschreiben kurz und knapp die relevanten Punkte. Des Weiteren müssen alle späteren Entscheider und Nutzer der Klänge frühzeitig in das Projekt einbezogen werden, damit man bei der nachfolgenden Implementierung der Elemente nicht auf Ablehnung stößt. Final gilt es sicherzustellen, dass klare Nutzungsregeln, Ansprechpartner und ein verständlicher Medienzugang definiert sind, um die Sound-Identität auch nach Abschluss eines Projekts fehlerfrei, konsequent und konsistent weiterführen zu können.
Was unterscheidet ein gutes Sound-Logo von einem weniger guten?
Wir haben uns bereits sehr früh der Aufgabe gestellt, Sound Logos untereinander vergleichbar zu machen und somit reine Bauchgefühlsentscheidungen zurückzustellen. Wir arbeiten hier mit eigens entwickelten Parametern:
- concise: Wie kurz ist ein Sound Logo – wie schnell kommt es zum informativen Punkt?
- distinct: Grenzt sich das Sound Logo sauber von Wettbewerbern ab?
- flexible: Technische Flexibilität (Frequenzspektrum – z.B. wichtig bei Medien mit eingeschränkter Tonwiedergabe, wie Handy, Internet, Telefon oder im Fußballstadion) und kompositorische (Wie gut lässt sich das Sound Logo in verschiedene Musikstile und Tempi arrangieren?)
- memorable: Wiedererkennbarkeit des Sound Logos
- brand fit: Wie gut passt das Sound Logo zur Marke? Beinhaltet es akustische Assoziationsträger?
Diese Parameter sind untereinander nach Relevanz gewichtet und geben so ein sauberes Bild über Stärken und Schwächen eines Sound Logos.
Ausgehend von diesen und anderen Einflussfaktoren lassen sich nahezu allen Sound Logos Punktwerte zuordnen. Somit wird es möglich, ein Sound Logo auf einer beinahe rein rationalen Ebene zu beurteilen.
Zur Person:
John Groves ist Geschäftsführer von Groves Sound Branding. Er gilt als Vorreiter auf dem Gebiet der Akustischen Markenführung und befasst sich seit den frühen 90ern mit der strategischen Entwicklung akustischer Markenidentitäten. Zu seinen Kunden zählen u. a. Bacardi, Gerolsteiner, DEA, Mentos, Visa, Audi, Wrigley´s. Vorstands-Mitglied im Composers-Club e.V., sowie Vize-Präsident der Federation of Film & Audiovisual Composers of Europe, ständiges Jurymitglied des Art Directors Club. Regelmäßige Vorträge u. a. bei der Typo, International Design Congress, Radio Days, Marketing Club, Hamburg und Design, der Miami Ad School und Texterschmiede.
Hier stellt John Groves in kurzen Videos wichtige Aspekte des Sound Branding vor.
Gibt es objektive Kriterien dafür, welcher Sound am Besten zu einer Marke passt? Was kann man tun, damit die Entscheidung über den richtigen Markenklang nicht zur Geschmacksfrage verkommt?
Im Wesentlichen gelten die genannten Kriterien. In unserem System legen wir großen Wert darauf, dem Klang eine möglichst hohe Relevanz zur Marke zu geben. Auf der einen Seite arbeiten wir bereits mit mehreren Universitäten zusammen, um unseren Prozess der akustischen Übersetzung von bestehenden Markenwerten immer weiter zu verfeinern – auf der anderen Seite verfolgen wir auch Konzepte, welche eine Sound ID bereits im Markenentstehungsprozess berücksichtigen und so unsere spätere Arbeit wesentlich vereinfachen. In unserem Modul Brand Audit verbringen wir viel Zeit mit der sauberen akustischen Ableitung der Werte und Attribute einer Marke, um die Marke später auch im Klang wieder zu finden.
Es gilt, die Marke auf rein akustischer Ebene klar und crossmedial erkennbar zu machen, emotional aufzuladen und eine Wiedererkennung bei allen relevanten Wirkungsgruppen zu schaffen. Ist die Sound ID imstande, dies zu leisten, ist das eigentliche Hauptkriterium erreicht.
Braucht jedes Unternehmen ein professionelles Sound-Design?
Nicht unbedingt.
Umfang und Größe eines Projekts sind sicherlich von Kunde zu Kunde unterschiedlich – für den Bäcker an der Ecke ist ein Sound Logo sicher nicht zwingend notwendig.
Wichtig ist nur: Sobald man die Entscheidung trifft, akustisch kommunizieren zu wollen, sollte man, wenn man sich Erfolg erhofft, dies auch professionell verfolgen. Wer im visuellen Bereich professionell mit CI-Agenturen, Brand Managern, Designern, Druckereien usw. arbeitet, sollte sich beim Thema Klang nicht auf einen Mitarbeiter oder Bekannten verlassen, nur weil der nebenbei Musik macht.
Was empfehlen Sie mittelständischen Unternehmen, die nur über kleine Marketingetats verfügen?
Auch kleine Unternehmen verfügen über ein Telefon, eine Website mit Podcasts, Events, Messestände oder z.B. einen Außendienst mit geschäftlichen Mobiltelefonen. Hier existieren also bereits diverse Orte, an denen Klang zum Einsatz kommt. Einziges Problem: Keiner dieser Klänge zahlt auf die Marke ein oder folgt einer Vorgabe bezüglich des Einsatzes. Einfach gesagt, jeder macht, was er möchte oder was er für richtig hält.
Allein die akustische Vereinheitlichung der bereits existierenden Medien birgt bereits enormes Potential für Unternehmen. Eine Ausweitung im TV ist dabei natürlich zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls möglich. Darüber hinaus dient ein gutes Sound Logo als weiterer Baustein zu einer effektiveren und effizienteren Kommunikation.
Mit dem nötigen Werbedruck lässt sich heute im TV fast alles bekannt machen. Ist ein Sound Logo jedoch sinnvoll angelegt, kann es, auch ohne hohen Medienaufwand, bereits enorme Recall-Werte erzielen.
Eine Beratung bzw. Analyse bezüglich akustischer Optimierung eines mittelständischen Unternehmens macht großen Sinn. Hier geht es häufig nicht darum, überall zu klingen, sondern eher die groben Fehler zu beheben.
Muss man ein Sound-Logo nach einer gewissen Zeit erneuern, damit kein „Oldie“ daraus wird?
Hier lässt sich auch die visuelle Welt als Antwortgeber nehmen. Raymond Loewy, der Designer des weltbekannten BP Logos, hat über die Jahre diverse kleine Änderungen am Design von BP vorgenommen, ohne dass sich die Haupterscheinung jemals merklich geändert hat. Das Logo wirkte immer frisch und zeitgemäß, erinnerte aber gleichzeitig stets klar an seinen Ursprung.
Obwohl die akustische Markenführung noch recht jung ist, bedient sich die Deutsche Telekom bereits ähnlicher Mittel. Das im Original von einem zeitlosen Klavier gespielte Sound Logo hört man zur Weihnachtszeit mit Glocken, in der Fußballhalbzeit mit einer Tröte und in der Paul Potts-Werbung in einer weicheren Klavier-Version. Das Telekom Sound Logo zeigt damit seine Flexibilität, schützt sich aber auch gegen den bekannten „Wear-out“ Effekt. Im Sound Branding nutzen wir sogenannte Facelifts meist, um einem Abnutzungseffekt bei hoher Einsatzhäufigkeit entgegen zu wirken und das Logo so lange haltbar zu machen.
Vielen Dank für das Gespräch!