Soziale Netzwerke und ihr Nutzen für die Markenführung – Interview mit Mark Pohlmann

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Begeisterte und loyale Anhänger einer Marken-Community bilden einen wichtigen Wert für Unternehmen und beflügeln die Phantasie von Marketing-Profis.

Online-Gemeinschaften sind heute ein wesentlicher Bestandteil der Markenführung. Doch wie baut man solche Sozialen Netzwerke auf, pflegt und nutzt sie richtig?

Zu diesem Thema sprachen wir mit Mark Pohlmann, dem Vordenker partizipativer Marketingmodelle.

Dass Marken Gemeinschaften erzeugen, wird seit langem von der Markensoziologie beschrieben. Was ist das Neue, das Besondere an den Online-Communitys?

Mark Pohlmann: Das Internet verändert das Verhältnis zwischen Kunden und Unternehmen fundamental. Zwei Faktoren stechen besonders heraus. Der erste Unterschied ist, dass es dank der digitalen Technologie zu organisierten Markengemeinschaften kommen konnte. Gleichgesinnte zu finden, war vorher dem Zufall oder der Vereinsmeierei überlassen.

Der zweite Unterschied gilt der Marke selbst. Endlich sind die Gespräche sichtbar. Das ist die Revolution! Jetzt endlich sind Meinungsmärkte nachvollziehbar, analysierbar und beeinflussbar. Gleichzeitig erwächst hieraus eine gewaltige Verpflichtung. Marketingabteilungen, die sich nicht einschalten, haften für ihre Untätigkeit. Weggucken gilt nicht mehr, das Notebook zuklappen und die Wirklichkeit ignorieren auch nicht. Der Marktplatz für Meinungen ist belebt, und er verlangt nach der Präsenz der Marke. Sie ist in der Pflicht.


Zur Person:
Mark Pohlmann ist Gründer und Inhaber von Mavens Empfehlungsmarketing. Er gilt als Vordenker partizipativer Marketingmodelle, die den Kunden nicht nur als Empfänger verstehen, sondern ihn als Multiplikator aktiv einbeziehen. Kunden von Mavens sind u. a. T-Mobile, Volkswagen, Bosch, simyo, Greenpeace und Sixt. Zuvor hat der studierte Historiker und gelernte Journalist die Unternehmenskommunikation des Internetdienstleisters SinnerSchrader geleitet und den Bereich „Online Conversations” aufgebaut. Pohlmann ist Mitinitiator der von SinnerSchrader veranstalteten „next conference” und verantwortet seit 2006 deren Programm.

Worauf sollten Unternehmen dabei insbesondere achten?

Langfristig erfolgreiche Brand Communitys sind kein Teil des Marketings, sondern des Geschäftsmodells. Es ist ein kapitaler Fehler, treue Kunden einer kurzfristigen Marketingstrategie zu unterwerfen. Denn der Blick des Enthusiasten ist immer ein ganzheitlicher. Das heißt, dass er das Produkt, seine Vermarktung, aber auch den Kundendienst, die Preisstruktur und nicht zuletzt die Qualität als Gesamtinszenierung wahrnimmt. Eine Kampagne, die nicht in Einklang steht mit der individuellen langfristigen Wahrnehmung, wird keine Unterstützung, sondern Ablehnung provozieren.

Das Geheimnis einer erfolgreichen Social-Media-Strategie liegt darin, dass diese von den Kunden getrieben wird. Die Marke ist nur der Ausgangspunkt der Gespräche und der fiktive Ort, an den alles wieder zurückkehrt. Wir alle hören mehr auf Freunde und Experten denn auf Marken als Autoritäten.

Wie können Marken soziale Netzwerke sinnvoll nutzen?

Dazu gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die alle von dem Gedanken „It Takes a Community, not a Campaign to Build a Brand“ geleitet werden. Communitys zeigen den Unternehmen, worauf es eigentlich ankommt, was ihnen wichtig ist und wovon sie wirklich träumen. Die Marke muss dann eigentlich nur noch liefern. Wer diesen Umstand berücksichtigt, wird bald feststellen, dass eine Marken-Community viel mehr Vor- als Nachteile hat und ein solider Eckpfeiler für die Außenwirkung werden kann.

Voraussetzung ist allerdings das Akzeptieren des Kontrollverlusts. Ganz gleich, ob eine Marke sich an den Gesprächen um sie beteiligt oder nicht: Die Marke hat die Kontrolle verloren; im Guten wie im Schlechten. Wer ein gutes Produkt hat, wird dieses von zufriedenen Kunden unabhängig von PR- oder Marketingkampagnen bestätigt bekommen. Zufriedene Käufer bestätigen mit ihrem Lob immer auch die eigene Kompetenz. Wer ein schlechtes Produkt hat, Anbieter eines wettbewerbsbefreiten Markts ist oder durch undurchsichtige Preis- oder Abo-Modelle auffällt und nicht plant, dies mithilfe seiner Kunden zu verbessern, braucht sich nicht mit dem Aufbau einer Community zu beschäftigen. Er wird nur den Ärger seiner Kunden sichtbar machen.

Der Verlust, bzw. die Aufgabe von Kontrolle ist eines der größten Probleme, mit denen sich Markenartikler im Netz herumplagen…

Da die Marke keine Kontrolle hat, braucht sie diese auch nicht auszuüben. Sie wird vom Gralshüter zum Gastgeber – egal, ob auf einer eigenen Seite oder den von begeisterten Kunden angelegten. So ergeht es dem schwedischen Möbelhaus mit seiner Community „Ikea Hacker“. Sie war weder geplant noch ist sie von der Marke autorisiert. Aber sie ist aufs Engste mit dieser verbunden. Auf dieser Seite stellen Bastler ihre Eigenkreationen vor, die alle auf zweckentfremdeten Ikea-Produkten basieren. Hier kann man erfahren, wie aus dem Lattenrost „Lade“ ein Podest für die Preisverleihung eines Schulsportfests wurde oder aus einem Duschvorhang eine Umhängetasche für den Strand. Auch in einer Brand Community gilt: Erlaubt ist, was gefällt! Und zwar nicht der Marke, sondern dem Kunden. Je offener ein Unternehmen mit sogenannten „Mashups“ umgeht, umso eher zahlen auch skurrile Aktionen auf den Markenwert ein. Ikea hat diese Lektion verstanden und akzeptiert die zahlreichen Copyright-Verletzungen auf der Website klaglos.

Große Bedeutung hat doch auch der Umgang mit Konflikten, wie wir in der letzten Zeit immer wieder erleben konnten?

Dieser Aspekt fällt Unternehmen sicher am schwersten. Aber er ist auch der wichtigste, um das langfristige Interesse an der Community zu sichern. Wer sich seinen Problemen öffentlich stellt, erhält nicht nur viel Aufmerksamkeit und Anerkennung, er bindet Loyale auch wesentlich zuverlässiger als mit klebriger Schwärmerei, die schnell langweilig wird. Wichtig ist, offen über Probleme zu sprechen, Kritiker zu Wort kommen zu lassen sowie sachlich und konstruktiv auf die Diskussionen um die eigene Marke einzugehen. Wer das nicht zu können glaubt, sollte seine Überlegungen zum Aufbau einer Brand Community ernsthaft überdenken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Marken-Management 2010/2011

Einen ausführlichen Beitrag von Mark Pohlmann zu diesem Thema finden Sie in „Marken-Management 2010/2011“.

Der aktuelle Band des Jahrbuchs für Praktiker und Entscheider in Sachen Marke hat u.a. den Aufbau und die Steuerung von Brand Communitys zum Schwerpunkt.

Marken-Management 2010/2011 bei Amazon.

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